Madonna mia, dachte Giulia: Was für eine Stadt, was für ein erfrischendes Chaos. Sie überquerte einen na-
menlosen Platz mit einem Tempel, auf dessen Trep-
pen Händler Teppiche und Lederwaren ausgebreitet hatten. Während sie sich vergeblich nach einem Ge-
schäft umsah, das Briefmarken verkaufte, trat sie in die Überreste einer überfahrenen Ratte. In den Straßen von Kathmandu wurde die kleinste Unachtsamkeit unverzüglich bestraft. Gleich neben dem Kadaver kauerten einige Bäuerinnen am Boden und boten auf groben Tüchern Äpfel und Orangen an. Giulia rieb die Sohle ihrer Sandale beiläufig auf dem Pflaster sauber und beugte sich zu einer der Frauen hinunter, um ihr einen Apfel abzukaufen. Sie wischte ihn nur flüchtig an ihrem Sarong ab und biss mit Appetit hinein. Das Leben in Asien hatte sie unempfindlich gegen Schmutz und mangelnde Hygiene gemacht.
links
rechts
© 2009 Jan Winter, Impressum und rechtliche Hinweise